Refine
Year of publication
- 2016 (1) (remove)
Document Type
- Book (1) (remove)
Language
- German (1)
Has Fulltext
- yes (1) (remove)
Is part of the Bibliography
- no (1)
Die Kartelltheorie, die Lehre von der Kooperation zwischen Unternehmern der gleichen Branche, wurde 1883 vom Österreicher Friedrich Kleinwächter begründet. Diese Theorie mit ihren spezifischen Begrifflichkeiten war bis zum Ersten Weltkrieg im Wesentlichen auf den deutschsprachigen Raum begrenzt. Andere Kulturgebiete wie die Anglosphäre und die Romania hatten abweichende Terminologien und anders gelagerte Erkenntnisperspektiven: es gab dort Syndikats-, Kombinations- oder Trusttheorien. Differenzen in der Wirtschaftskultur verhinderten
bis nach dem Ersten Weltkrieg eine Verschmelzung der Begriffsfelder und Theorien. Ab Mitte der 1890er Jahre durchlief die deutschsprachige Kartelltheorie mehrere Begriffsreformen und gewann gegenüber ihren fremdsprachigen Pendants an Differenziertheit. Bis etwa 1910 war die Kartelltheorie (neben der amerikanischen Trustlehre) zur renommiertesten Zusammenschlusstheorie geworden. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Bedürfnis nach internationalen
Kartellen vordringlich. Den von der Weltwirtschaftskonferenz des Völkerbunds 1927
angestoßenen Debatten darüber wurde ab 1929 die Terminologie der deutschen Kartelltheorie zugrundegelegt. Mit Eintritt in die 1930er Jahren war diese Lehre weltweit zum Standard geworden. Jene Anerkennung der deutschen Kartelltheorie macht deutlich, dass die deutsche Volkswirtschaftslehre der Zwischenkriegszeit keineswegs durchweg «rückständig» war. Für die Entwicklung hin zu immer mehr ‹Organisiertem Wirtschaften›, wie sie die 1930er Jahre mit ihrer umfassenden Kartellierung und staatlich initiierter Regulierung brachten, war sie besser vorbereitet als jede andere Nationalökonomie. Kartelltheoretisches Wissen ging später in die Lenkungswirtschaft des Dritten Reiches ein.