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Die Betrachtung des Selbst konzentriert sich derzeit im Wesentlichen auf zwei unterschiedliche Forschungsaspekte, die zwar umfangreich untersucht, bisher aber kaum ausreichend aufeinander bezogen wurden. Einerseits werden die Inhalte des Selbst und deren strukturelle Organisation – verstärkt auch unter einer kulturvergleichenden Perspektive – erforscht, andererseits beschäftigt sich eine Vielzahl von Studien mit den Prozessen des Selbst, die der Sicherung oder Wiederherstellung eines konsistenten Selbstbildes dienen. Da zahlreiche Studien belegen, dass sowohl aktiviertes Selbstwissen als auch dessen strukturelle Organisation das Denken (z. B. Choi & Nisbett, 1998; Hannover & Kühnen, 2002), Fühlen und Handeln (z. B. Stucke, 2003) einer Person beeinflussen, ist es nicht unwahrscheinlich, dass auch selbstregulative und selbststabilisierende Prozesse von eben jener Selbstkonzeptstruktur beeinflusst werden. Dies ist schon deshalb plausibel, weil sich Selbst-stabilisierende Prozesse notwendigerweise auf die Inhalte des Selbst beziehen müssen. So hängt es von den aktivierten Selbstinhalten ab, welche Informationen als konsistent bzw. inkonsistent mit dem eigenen Selbstbild wahrgenommen werden. In der vorliegenden Arbeit wurde der Zusammenhang zwischen der aktuellen Selbstkonstruktion einer Person und deren Bewältigungsreaktionen genauer untersucht. Die theoretische Grundlage für dieses Vorhaben bildeten zwei empirisch gut geprüfte Modelle, die direkt aufeinander bezogen wurden: Das Semantisch-Prozedurale Interface-Modell des Selbst (Hannover & Kühnen, 2004) beschäftigt sich mit der Struktur und Verarbeitung von selbstbezogenem Wissen und unterscheidet hierbei zwischen einem semantischen (autonome vs. soziale Selbstinhalte) und einem prozeduralen (kontextunabhängige vs. kontextabhängige Informationsverarbeitung) Mechanismus. In Anlehnung an Markus und Kitayama (1991) wird im Modell zwischen independenten und interdependenten Personen differenziert. Das Zwei-Prozess-Modell der Entwicklungsregulation (Brandtstädter & Renner, 1990) beschäftigt sich hingegen mit der Bewältigung selbstbildinkonsistenter Informationen und differenziert hierzu zwischen Strategien der hartnäckigen Zielverfolgung (Assimilation) und Prozessen der flexiblen Zielanpassung (Akkommodation). In einer intrakulturellen Untersuchung wurden die chronische Selbstkonstruktion von 274 Personen erfragt und deren Bewältigungsreaktionen durch ein kontextfreies und ein kontextbezogenes Erhebungsverfahren erfasst. Auf diese Weise sollten die unterschiedlichen Verarbeitungsprozesse independenter und interdependenter Personen berücksichtigt werden. Insgesamt ließen sich 134 Personen als independent und 140 Personen als interdependent klassifizieren. Um auch die Wirkung erfolgreicher Bewältigung zu berücksichtigen, wurden zudem die Selbstkonzeptklarheit, der Selbstwert und das subjektive Wohlbefinden erhoben. Zusätzlich wurde bei einem Teil der Stichprobe versucht, Selbstwissen situational zu aktivieren, um mögliche Effekte auf Bewältigungsverhalten genauer untersuchen zu können. Zunächst ließ sich für beide Selbstkonzept-Gruppen derselbe Alterseffekt nachweisen. Mit zunehmendem Lebensalter nehmen assimilative Bewältigungsstrategien ab und akkommodative Prozesse zu. Dennoch konnte gezeigt werden, dass Bewältigungsreaktionen tatsächlich von der chronischen Selbstkonstruktion einer Person beeinflusst werden. So zeigte sich, dass independente Personen in ihrem Bewältigungsverhalten signifikant flexibler auf gefährdete Vorhaben reagieren als interdependente Personen. Gerade akkommodative Bewältigungsreaktionen scheinen sich zudem positiv auf die individuelle Selbstkonzeptklarheit, den Selbstwert und indirekt auch auf das subjektive Wohlbefinden auszuwirken. Independente Personen erreichen gegenüber interdependenten Personen bezüglich dieser drei selbstrelevanten Faktoren signifikant höhere Werte. Die Ergebnisse zum zweiten Bewältigungsprozess, der Assimilation, waren etwas weniger eindeutig. In der vorliegenden Untersuchung sind – je nach Erhebungsverfahren – independente gegenüber interdependenten Personen hartnäckiger oder vergleichbar hartnäckig in der Verfolgung relevanter Vorhaben. Ein Primingeffekt der Selbstkonstruktion auf individuelles Bewältigungsverhalten ließ sich nicht nachweisen. Es wäre daher denkbar, dass sich selbststabilisierende Prozesse nicht kurzfristig durch eine experimentelle Aktivierung beeinflussen lassen. In nachfolgenden Untersuchungen sollten insbesondere der Zusammenhang zwischen Selbstkonstruktion und assimilativer Bewältigung genauer beleuchtet sowie eventuell alternative Primingverfahren zur experimentellen Aktivierung von Bewältigungsreaktionen geprüft werden.