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Bürgerumfrage Giesen 2018
(2018)
Es handelt sich um einen Kurzbericht zu einer Online-Befragung der Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde Giesen zur geplanten Wiederinbetriebnahme der Kalimine in der Region zwischen Sarstedt, Giesen und Nordstemmen. Insgesamt wurden 4000 Haushalte angeschrieben. 800 Haushalte haben an der Befragung teilgenommen. Im Bericht steht die Untersuchungsfrage der gesellschaftlichen Akzeptanz des geplanten Vorhabens im Mittelpunkt. Hierzu werden zentrale empirische Ergebnisse aufbereitet.
Aufgrund des regen Interesses der Bürger_innen an der Umfrage und der lokalpolitischen Relevanz der politischen Streitfrage, sollen zentrale deskriptive Ergebnisse aus der Befragung in die Öffentlichkeit getragen werden. Daher werden in den einzelnen Kapiteln des Ergebnisberichts zunächst Angaben zur Untersuchungszeit, Befragungsdauer, Rücklaufquoten usw. im Feldbericht genannt. Darauf folgt eine Zusammenfassung von zentralen deskriptiven Analysen, die bereits durchgeführt worden sind.
Im Anhang des Kurzberichts befindet sich neben Dokumentationsmaterial aus der Erhebung (Anschreiben, Fragebogen) zudem eine Häufigkeitsauszählung des vollständigen Fragebogenkatalogs mit Ausnahme der offenen Angaben, welche wir aus Datenschutzgründen nicht veröffentlichen.
Im Anschluss an Bourdieu hat es in der deutschsprachigen Bildungssoziologie eine Reihe von Unternehmungen gegeben, bildungsbiographische Abstiegsverläufe über den Mechanismus der bildungsbiographischen Selbsteliminierung (Vester 2013, Bremer, Lange-Vester 2014, Lange-Vester, Redlich 2010, Corsten, Schierbaum 2017) zu erklären. In unserem Beitrag wollen wir uns mit dem umgekehrten Fall, der biographischen Resistenz von aufstiegsorientierten Bildungsaspirationen beschäftigen, die wir in einer qualitativen Längsschnittstudie zu ostdeutschen Schülerinnen (n = 60) vorgefunden haben.
Wie konnte es jedoch umgekehrt zu der beobachteten Resistenz im Facharbeiter- und Fachangestelltenmilieu kommen? Dazu wollen wir anhand einer Fallrekonstruktion exemplarisch eine Haltung zur Bildung identifizieren, die zu drei verschiedenen Zeitpunkten des Bildungsverlaufs (kurz vor der gymnasialen Oberstufe, Abiturphase, Studienbeginn) im Interview geäußert wurde. Wir wollen an diesen resistenten Äußerungen zum eigenen Bildungsweg aufzeigen, wie sich Momente des Habitus anhand des Sprechens über sich manifestieren.
Bourdieus Konzepte des Habitus und der kulturellen Passung von Habitus und Feld haben der Soziologie Schwierigkeiten hinterlassen, die nicht zuletzt die Frage betreffen, wie die Sachverhalte der Habitusgenese, Habitusreproduktion und Habitustransformation als Mechanismen der sozialen und kulturellen Reproduktion von Ungleichheiten und Schließungsprozessen zu untersuchen sind.
Wie etwa lässt sich der Doppelcharakter des Habitus als strukturierte und strukturierende Struktur empirisch identifizieren, sowohl als „einverleibte Geschichte“ des „opus operatum“ als auch als das „System generativer Schemata von Praxis“ des „modus operandi“. Besonders kompliziert ist daran, den Prozesscharakter des Habitus als Habitusgenese, d.h. in seiner Entstehung, Reproduktion und Transformation im Zusammenspiel mit den sozialen Feldern zu erfassen und dabei die Entstehung von primären und sekundären Habitusformationen trennscharf zu identifizieren und zeitlich zu lokalisieren.
Ein prominenter Vorschlag in der deutschsprachigen Forschung hat den Mechanismus der habitusinduzierten Selbsteliminierung im Bildungsprozess adressiert. Die Behauptung eines solchen Mechanismus macht folgende Annahmen geltend. In der biographischen Auseinandersetzung mit den sozialen Feldern der Familie und des Bildungssystems entwickelt das Subjekt primäre und sekundäre Habitusschichten, die den Übergang in das System der beruflichen Bildung und Arbeit bestimmen. Der in der Familie geronnene Habitus als opus operatum wirkt weiter in den primären, sekundären und superioren Stationen der Schulkarriere. Dabei erweisen sich die von der familiären Milieuherkunft geprägten primären Habitusformationen in Bildungskontexten der späteren Lebensphasen als ungleich im Hinblick auf ihr Potenzial als modus operandi, kulturelle Passungen in neuen sozialen Feldern herzustellen. Der Ansatz der bildungsbiographischen Selbsteliminierung fügt die Annahme hinzu, dass biographisch frühere Habitusschichten auch im Fall von Aufstiegsmobilität maßgeblich zur Selbsteliminierung von Bildungssubjekten aus Feldern der höheren (universitären) Bildung beitragen. Habitusaufschichtung wirkte demnach im Sinne einer endogenen biographischen Strukturdetermination.
Angesichts der zu prüfenden empirischen Möglichkeit, dass Überlagerungen unterschiedlicher sozialer Einflussfaktoren (Milieu, Geschlecht, Migrationshintergrund, Region) es erschweren können, den Habitus der Bildungsherkunft als homogene Formation in seiner Genese zu identifizieren und lebenszeitlich zu lokalisieren, erscheint es aus methodischen Gründen ratsam, die Prozesse der Habitusbildung empirisch zunächst im Rahmen eines qualitativen biographischen Längsschnittdesigns zu explorieren. Dies wurde bisher nur in wenigen Studien ansatzweise unternommen.
Der eingereichte Beitrag greift dazu auf Material aus einer qualitativen Längsschnittuntersuchung von Schülern (n = 100) zurück, die zwischen 2008 und 2012 bis zu dreimal zu ihrem schulischen Werdegang halboffen interviewt wurden. Die Präsentation wird sich dabei exemplarisch auf Fälle des potenziellen Bildungsaufstiegs konzentrieren, und diese auf die Problematik der Selbsteliminierung hin vergleichen. In einer Reihe von Fällen scheint anhand des objektiven Lebensverlaufs der Sachverhalt der bildungsbiographischen Selbsteliminierung gegeben. Trotzdem bleibt damit das methodische Problem der Identifikation und Lokalisierung von Habitusformation noch ungelöst. Denn am empirischen Material müsste für jeden Erhebungszeitpunkt rekonstruiert werden, ob und in welcher Weise sich anhand von biographischen Artikulationen im Interviewkontext (als einer sozialwissenschaftlich erzeugten Situation) eine Aufschichtung primärer, sekundärer und späterer Habitusformationen zeigen lässt, und inwiefern biographische Aufschichtungen habitueller Dispositionen als inkorporierte Schemata der Wahrnehmung, Beurteilung und Bewertung von bildungs- und berufsbiographischen Gelegenheiten nach dem Abitur wirksam werden.
Das Ergebnis des Vergleichs der biographischen Artikulationsweise wird sein, dass sich auf Basis der Längsschnittperspektive Problem der Überlagerung heterogener Habitusschichten und der damit einhergehenden Mechanismen konzeptionell präziser für weitere Untersuchungen spezifizieren lässt.