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Diese Arbeit untersucht kollaboratives Informationssuchverhalten (Collaborative Information Seeking, kurz: CIS) im Kontext der verteilten, aufgabenbasierten Zusammenarbeit unter Berücksichtigung von rollenspezifisch relevanten Aspekten der Diversität der Beteiligten. Übergeordnetes Ziel ist dabei die Entwicklung von Gestaltungsrichtlinien zur Systemunterstützung kollaborativer Suche in verteilten Szenarien. Da das Forschungsgebiet CIS noch jung und in wesentlichen Grundlagen wenig erforscht ist, erfordert das Erreichen dieser Zielsetzung zunächst fundamentale wissenschaftliche Auseinandersetzungen.
Anhand von vier aufeinander aufbauenden Fragestellungen wird sich diesem Problemzusammenhang gewidmet. Aufsetzend auf die Erörterung von Organisation und Gestaltung des CISProzesses (RQ1) erfolgt in diesem Zusammenhang die Analyse des Verhaltens der Beteiligten, in Hinblick auf deren Diversität im Kontext eingenommener Rollen (RQ2). In einem nächsten Schritt wird die integrierte Modellierung von CIS-Prozess und Rollenmustern vorgenommen und in Zusammenhang mit kontextspezifischen Beobachtungen gesetzt (RQ3). Die theoretische Modellierung resultiert schließlich in der Ableitung von Gestaltungsrichtlinien zur systembasierten Unterstützung der kollaborativen Suche (RQ4).
Die Beantwortung der Forschungsfragen erfolgt mithilfe von zwei Feldstudien, welche das Informationssuchverhalten von Kleingruppen Studierender adressieren. In einem Bachelor-Kurs des Studiengangs Internationales Informationsmanagement (IIM) wird zunächst eine Vorstudie mit sechs Gruppen (n=19) im Umfang von drei bis vier Mitgliedern durchgeführt. In einem Zeitraum von zwei Wochen bearbeiten die Beteiligten eine geteilte, komplexe Aufgabenstellung und absolvieren in diesem Rahmen gemeinsame Suchen. Zur Erfassung des Suchverhaltens wird die Interaktion der Nutzenden in einem System für CIS-Unterstützung aufgezeichnet. Im Anschluss daran wird unter Verwendung eines Fragebogens u.a. das Rollenmuster der Beteiligten erfasst. Da im Zusammenhang mit CIS bisher keine Entwicklung von Rollen stattfand, welche spezifisch das Verhalten im Kontext der Zusammenarbeit adressieren, wird hierfür ein standardisiertes Instrument zur Erfassung von Teamrollen herangezogen. Das methodische Vorgehen umfasst weiterhin das Durchführen von leitfadengestützten Interviews, welche die absolvierte Suche und Zusammenarbeit der Gruppen fokussieren. Ferner ist eine Tagesbuchstudie, in Hinblick auf das Erheben von individuellen Eindrücken der Zusammenarbeit, eingebunden. Orientiert am Vorgehen in dieser Untersuchung erfolgt darauf aufsetzend die Hauptstudie im Master-Kurs Informationsethik des Studiengangs IIM. In sechs Gruppen mit zwei bis drei Mitgliedern (n=15) bearbeiten die Studierenden komplexe informationsethische Fragestellungen mit dem Ziel, deren Beantwortung im Plenum zu präsentieren.
Die Beobachtung der kollaborativen Suche zeigt in beiden Untersuchungen sowohl gruppenbasierte, als auch individuelle Schritte bei der Durchführung auf. Nach der Grundlagenrecherche erarbeiten die Gruppen einen gemeinsamen Wissensstand, nehmen daraufhin eine Teilung der Aufgabe vor und führen anschließend individuelle Suchen zum jeweiligen Unterthema durch. Im Anschluss wird die aufgefundene Information zusammengeführt, i.d.R. einer gemeinsamen Prüfung unterzogen und schließlich in Hinblick auf die Aufgabenstellung aufbereitet. Darüber hinaus können mögliche Rückschritte im Prozess stattfinden. Eine Gruppe weicht von diesem Verhalten insofern ab, als dass diese keine Aufgabenteilung vornimmt. Aus der Beobachtung der Interaktion der Teilnehmenden mit dem Suchsystem, den erhobenen Teamrollen und ergänzenden Interviewdaten resultiert die Entwicklung von Rollen für die kollaborative Suche. Die Suchrollen Pathnder, Compiler, Implementer, Facilitator und Observer-Editor nehmen unterschiedliche Aufgaben und Funktionen bei der kollaborativen Suche wahr und weisen spezifisch erhöhte oder verminderte Beteiligungen an Schritten oder Phasen des Prozesses auf. Das Modell bezieht neben diesen Befunden zu den Suchrollen auch den erhobenen Suchprozess ein und darüber hinaus Ein üsse ermittelter relevanter Kontext- und Wahrnehmungsfaktoren. Die Untersuchung zeigt, dass je nach durchzuführender Tätigkeit innerhalb der Prozessschritte, unterschiedlicher erhöhter Bedarf für Wahrnehmungsinformation (Increased Awareness Need, kurz: IAN) vorhanden ist. Dieser umfasst die Wahrnehmung der Gruppe (Group-Awareness) oder des geteilten Arbeitsraums (Workspace-Awareness), um die verteilte kollaborative Suche und Zusammenarbeit eektiv und ezient durchführen zu können. Die aus dem Modell abgeleiteten Gestaltungsrichtlinien berücksichtigen u.a. diese IAN für Unterstützungsmaßnahmen, die entwickelten Suchrollen und die Einbindung von Werkzeugen zur Durchführung von Suche und Zusammenarbeit.
Die Ergebnisse dieser Arbeit können somit dazu beitragen, Systeme für aufgabenbasiertes CIS zu gestalten, welche die Effektivität und Effizienz bei der Kollaboration befördern und die Zufriedenheit bei der Nutzung und somit auch die Akzeptanz, zu erhöhen. Darüber hinausgehend zeigen die Befunde Möglichkeiten für anschließende Forschungsarbeiten auf, etwa in Hinblick auf die konkrete Evaluation der Maßnahmen und deren Einbindung in Systeme oder für analoge Untersuchungen im Kontext anderer Domänen, Aufgabenstellungen oder Zielgruppen.