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Bisherige Forschung zur Arbeitsmarktpartizipation von Geflüchteten lässt deren Perspektive weitgehend offen und fokussiert jene, die im Zuge der Fluchtbewegung 2015 angekommen sind. Demgegenüber widmet sich die vorliegende Studie jenen, die bereits längere Zeit als Asylberechtigte in Österreich leben.
Krieg und Flucht bedingen Abbrüche von Arbeits- und Ausbildungsverhältnis und das Asylverfahren ist geprägt von organisierter Desintegration (Täubig 2009), welche die ethnische Homogenität der sozialen Netzwerke fördert. Die Asylgewährung stellt als weitere biografische Zäsur unvermittelt Erwartungen an eine rasche Arbeitsmarktpartizipation.
Wie vor diesem Hintergrund Flucht anstatt eines Zusammenbruchs von Lebensentwürfen zur problemlösenden Zäsur in der Erwerbsbiografie werden kann, steht im Zentrum der Forschung. Welche biografischen Antworten finden Asylberechtigte unter Einsatz ihrer sozialen Netzwerke im Hinblick auf diese Einschnitte und wie werden sie in die Gesamtbiografie eingebettet?
Tschetschen*innen formieren in Österreich die größte Gruppe unter den langjährig anerkannten Geflüchteten. Der Traditionskodex Adat nimmt eine gewichtige Rolle ein und definiert – wenngleich nicht einheitlich kodifiziert – die Pflicht zur gegenseitigen Unterstützung und die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung. Der Forschungsfokus liegt auf dem Zusammenwirken von im Adat festgelegten Normen und Geschlechter- und Generationenverhältnissen. Zehn biografische Interviews wurden jeweils mit egozentrierten Netzwerkzeichnungen kombiniert und mittels Grounded Theory analysiert.
Diagnosen zu Langzeitearbslosigkeit, Strukturwandel der Anerkennung sowie Labelingprozessen werden mit biografietheoretischen Grundlagen verbunden. Die biografischen Fallrekonstruktionen geben Aufschluss über subjektive Deutungen von Arbeitserfahrungen und Erwerbslosigkeit.
Die Ergebnisse zeigen, dass die eigene Identität auf Basis alternativer Anerkennungssphäre rekonstruiert wird, wenn Erwerbsarbeit als Quelle sozialer Anerkennung nicht verfügbar ist. So kann etwa Religionsausübung Anerkennung vom eigenen Netzwerk bringen; dazu muss sie allerdings sichtbar nach außen getragen werden. Die damit einhergehende Diskriminierung sowie die Flucht als disruptives Lebensereignis werden als Gründe für einen aus subjektiver Sicht gescheiterten Lebenslauf genannt.
Die Interviewten reproduzieren das Verständnis von Integration als individuell zu erbringende Leistung. Um eine positivere Bewertung des eigenen Biografieverlaufs sicherzustellen, setzen sie Distanzierungskonstruktionen gegenüber neu angekommenen Gruppen Geflüchteter ein. Die Kontinuität der Kategorie Flüchtling lehnen die Betroffenen ab und konstruieren stattdessen ein Wir im Sinne der eigenen Religion oder Volksgruppe.
Die Forschung leistet einen Beitrag zum Verständnis eines interaktionistischen Modells der Identitätsumformung in Fluchtbiografien in Hinblick auf den Entzug sozialer Anerkennung durch verunmöglichte Erwerbsintegration.
Hilfe gehört untrennbar als zentrale Prämisse des professionellen Handelns zur Sozialen Arbeit und stellt aus systemtheoretischer Sicht wohl die grundlegende Funktionslogik dieses gesellschaftlichen Teilsystems dar. Während das Konzept Hilfe neben der praktischen sozialarbeiterischen Auseinandersetzung in der Sozialen Arbeit auch eine wissenschaftliche und konzeptionelle Auseinandersetzung erfährt, wird das Konstrukt in anderen gesellschaftlichen Bereichen oftmals als eine Art leerer Signifikant genutzt, um damit eine komplexe und kaum näher zu definierende Praxis zu beschreiben, die mehr oder weniger explizite Formen der sozialen Unterstützung umfassen – so auch in Bezug auf die Katastrophenhilfe.
Es ist festzustellen, dass es in Deutschland kaum wissenschaftliche Untersuchungen zur Katastrophenhilfe in der Sozialen Arbeit gibt. Es liegen nur vereinzelte Aufsätze und grundlegende Betrachtungen vor, an die bis jetzt kaum systematisch angeknüpft wurde. International ist der Forschungs- und Entwicklungsstand schon wesentlich differenzierter entfaltet, zu dem aber auch die sog. internationale und vergleichende Soziale Arbeit in Deutschland bisher kaum Bezüge aufgebaut hat.
Daher widmet sich diese Dissertation diesem kaum beachteten Feld und eröffnet einen weiten Blick, u.a. bis in die Ausbildungsstrukturen im Bereich der Katastrophenhilfe hinein, um zu verdeutlichen, dass es nicht nur um eine Analyse einer Interventionsstrategie geht, sondern um ein eigenes Feld innerhalb der Sozialen Arbeit, welches eine eigenständige Theoretisierung herausfordert und auch für sich professionalisierungsbedürftig ist. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage danach, welche Konstruktion von Hilfe sich in diesem Handlungsfeld zeigt. Dies wird entlang einer ethnographischen Studie nachgezeichnet. Als zentrales Ergebnis könnte die Katastrophenhilfe als eine Herausforderung angesehen werden, in der sich die Soziale Arbeit selbst in neuen Zeit-, Orts- und Hilfestrukturen begreifen muss.